Ein unmoralisches Angebot
Jeder ist käuflich, heißt es. Aber was und wie viel wir bereit sind für Geld zu tun – oder niemals tun würden – entscheiden Prägungen in der Kindheit.
Hand auf’s Herz: Haben Sie sich schon einmal gefragt, was Sie für noch so viel Geld auf der Welt niemals tun würden? Wo Ihre moralischen oder sonst wie definierten Grenzen liegen? Und würden Sie gewisse Dinge auch dann mit absoluter Sicherheit nicht machen, wenn niemand davon erfährt, Sie Ihr Geheimnis mit ins Grab nehmen könnten?
Ganz gleich wie die Einstellung zu Geld und der Umgang damit im Einzelfall auch ausschauen mögen, auf freier Willensentscheidung allein basieren sie nicht. Ob jemand davon überzeugt ist, „Geld verdirbt den Charakter“ oder glaubt, „Geld macht glücklich“, diese Glaubenssätze werden früh entwickelt und hängen maßgeblich mit den ersten Beziehungen im Elternhaus zusammen, erklärt Psychologe Rolf Haubl, Direktor des Sigmund-Freud-Instituts in Frankfurt. „Inwieweit wir uns von Geld beeinflussen lassen, wird dadurch mitbestimmt, was uns in der Kindheit über seine Bedeutsamkeit vermittelt wurde“, meint auch die Wiener Psychologin Karin Busch-Frankl: „Kinder aus ärmlichen Verhältnissen entwickeln häufig den Wunsch, ‚es einmal besser zu haben’ und bringen diese Verbesserung mit einem Mehr an Geld in Verbindung“. Gleichzeitig wurde beobachtet, dass diese Menschen später nicht selten Schuldgefühle entwickeln, wenn sie mehr verdienen und ausgeben als ihre Eltern. Das Elternhaus finanziell nicht überflügeln zu „dürfen“, führe zu einem Konflikt, der nicht einfach zu lösen sei.
Geld als Liebesersatz wirkt grenzenlos
Dramatischer erweise sich allerdings die Beziehung zum Geld, wenn es als Liebesersatz fungiert. Dann sei seine Überbewertung die logische Folge. „Wird positives Verhalten mit Geld und nicht mit Aufmerksamkeit oder Liebe belohnt, kommt es zu einer Schieflage“, so Busch-Frankl. Denn dauerhaft könnten unerfüllte grundlegende Bedürfnisse mit Geld nicht kompensiert werden. Im Gegenteil berge dieses Manko die Gefahr, immer mehr an Geld zu brauchen und „schlussendlich daran auszubrennen“.
Die individuelle monetäre Einstellung verrät also einiges über den subjektiv empfundenen Wert einer Person. „Jemand, der sich selbst nicht ausschließlich über sein Einkommen definiert, und seinen Selbstwert in sozialen Beziehungen und sinnstiftenden Tätigkeiten spiegeln kann, wird dem Geld geringere Bedeutung beimessen“, ist die Psychologin überzeugt. Das zeige sich auch darin, „dass viele Menschen lieber für einen geringen Lohn arbeiten als staatliche Unterstützung in gleicher Höhe zu beanspruchen“, bestätigt Coach Petra Bock. Geld habe daher viel mit Ehre und Anerkennung zu tun. Das erkläre auch, warum „wir dazu neigen, uns stets mit anderen zu messen. Wir fühlen uns besser, wenn Menschen unseres Umfeldes nicht wesentlich mehr Geld besitzen als wir selbst. Umgekehrt fühlen wir uns arm, wenn wir umgeben sind von Menschen, die über viel mehr Geld verfügen“, so Busch-Frankl.
Dass ein Zuwachs an Geld automatisch glücklicher macht, sei jedoch nur bedingt richtig, meint der deutsche Ökonom Jürgen Schupp. „Wenn das Einkommen wächst, nimmt die Zufriedenheit nicht im selben Tempo zu. Und irgendwann steigt sie gar nicht mehr. Kurzfristig mag mehr Geld als Glückmacher funktionieren, aber der Effekt nutzt sich sehr rasch ab“.
Geld lässt also niemand kalt, egal wie viel oder wie wenig er oder sie davon hat, und wie auch immer die familiären Prägungen aussehen. elite fragte prominente Frauen, wie sie es mit dem „lieben Geld“ halten und was sie nie im Leben – auch für höchste Summen nicht – dafür tun würden.
Gerda Rogers: „Ich bin absolut nicht käuflich“
Über mangelnden Erfolg kann die berühmteste Astrologin Österreichs nicht klagen. Dennoch habe sich ihre Einstellung zu Geld mit den Jahren nicht verändert. „Ich war ein Kriegskind und wurde zur Bescheidenheit erzogen“. Die Genügsamkeit sei ihr geblieben. „Große Ansprüche habe ich nicht, eher freue ich mich, wie gut es mir jetzt geht“. Auf die Frage, was sie für Geld niemals tun würde, sagt sie wie aus der Pistole geschossen: „Einen Mann heiraten, den ich nicht mag. So reich kann der gar nicht sein“. Und auch im Rotlichtmilieu zu arbeiten, erscheint ihr undenkbar. „Meine Gefühle sind mir wichtiger als alles Geld der Welt. Ich bin absolut nicht käuflich“. Eine Haltung, die sie in weiten Kreisen der Gesellschaft, insbesondere bei ihren Geschlechtsgenossinnen, vermisst: „Für Geld machen Frauen fast alles“, glaubt sie, „bei vielen stehen die Finanzen vor ihren Gefühlen“. Täglich könne beobachtet werden, wie sich ganz junge Frauen an wohlhabende Männer hängen, die um Jahrzehnte älter sind, oft sogar deren Großväter sein könnten. Dass dies immer aus Liebe geschehe, bezweifelt sie. Aber auch bei älteren Frauen sei das alte Muster der Versorgung noch aufrecht. „Viele bleiben auch dann bei ihren Ehemännern, wenn die Liebe schon vorbei ist. Aus finanzieller Abhängigkeit und oft auch aus Angst vor dem Alleinsein“. Auch in ihrer astrologischen Praxis sei Geld „das Hauptthema neben Partnerschaft, es wird sogar immer wichtiger. Viele, die mich aufsuchen, klagen über Jobverlust, Konkurs, Bankrott“. Doch mit Existenzangst habe Korruption nichts zu tun, „das ist eine Charaktersache – und oft purer Egoismus“.
Karen Müller: „Todsünden sind für mich undenkbar“
„Mit Geld muss man bewusst umgehen, denn Geld bedeutet Sicherheit – besonders, wenn man wie ich Kinder hat“, meint die DIVA-Chefredakteurin und Styria Multi Media-Geschäftsführerin Karen Müller. „Aber über den Sicherheitsaspekt hinaus ist es mir nicht besonders wichtig“. Glücklicherweise habe es in ihrem Leben nie Phasen des Geldmangels gegeben. „Ich war immer genügend flüssig, so dass Verzweiflungstaten nicht notwendig waren“. Deshalb könne sie sich absolut nicht vorstellen, „böse Dinge“ zu tun und Todsünden zu begehen. „Und ich würde auch keine Wälder roden oder die Umwelt vergiften. Denn was soll ich mit viel Geld, wenn ich mich dann wie ein Schwein fühle?“ Dass sie von ihren Überzeugungen in extremen Notsituationen abgehen könnte, sei eher unwahrscheinlich. „Es kommt natürlich drauf an, wie groß die Not ist, oder ob es dann nicht doch andere Möglichkeiten gäbe, prinzipiell bin ich ja erfindungsreich“. Die ausgeprägte Bereitschaft mancher Menschen zur Korruption erklärt sie sich damit, dass „sie eine gewisse Ich-Schwäche und Minderwertigkeitsgefühle mit Reichtum kompensieren wollen und dem keine festen moralischen Grundsätze entgegenstehen. Gier ist immer ein Zeichen von Hunger, wonach auch immer“. Diejenigen, die für Geld nicht einmal vor dem Töten zurückschrecken, seien möglicherweise „mit dem Hintergrund eines beinharten Überlebenskampfes aufgewachsen. Oder sie sind Soziopathen, für die andere Menschen nichts und ihre eigenen Ziele alles sind“.
Sonja Gangl: „Ich würde nie eine Künstlerin kopieren“
„Meine Einstellung zu Geld ist eigentlich ziemlich unaufgeregt“, erzählt die Konzeptkünstlerin, der übrigens vor kurzem als historisch erster Frau eine Einzelausstellung in der Albertina gewidmet war (Infos unter http://www.sonjagangl.com). „Natürlich ist es sehr angenehm, wenn man genügend Geld hat, um die Miete usw. zu bezahlen“. Aber Luxus beginne für sie erst, wenn sie ihre Ideen und Projekte finanzieren kann. Das liegt vielleicht daran, dass es „immer wieder eine Zeit in meinem Leben gab, wo ich sehr wenig Geld hatte. Nachdem mir meine Eltern mein Studium nicht finanzierten, war ich schon bald gezwungen, zu arbeiten. Ich habe Kirchenaltäre, Stuckdecken und Deckenmalereien restauriert – und dabei allerdings sehr viel gelernt“. Da sie ihrer Kunst einen sehr hohen Stellenwert einräumt, möchte sie ihre Position als Künstlerin auf keinen Fall gefährden. Und würde deshalb für auch noch so große Geldsummen „niemals eine andere Künstlerin kopieren“. Wie sie allerdings reagieren könnte, wenn ihr Leben oder das ihrer Familie auf dem Spiel stünden, kann sie nicht genau sagen. „In extremen Situationen findet man sich ja ganz plötzlich und unvorbereitet wieder. Das Beste ist zu hoffen, dass sie einen großen Bogen um einen machen“. Dass einige Menschen mehr korrumpierbar sind als andere, liegt ihrer Meinung nach daran, dass „manche habgieriger, unersättlicher, charakterloser, machtbesessener, eitler, egoistischer, unsolidarischer, treuloser, rücksichtsloser, gefräßiger sind als andere“. Dennoch bezweifle sie, „dass es viele Menschen gibt, die des Geldes wegen sogar töten würden. Warum es die wenigen doch tun, weiß ich nicht. Es wäre aufschlussreicher diese Frage jemandem zu stellen, der in der Vergangenheit so etwas für Geld getan hat“.
Yvonne Rueff: „Ich lasse mich nicht vom Geld dominieren“
„Dass Geld bei weitem nicht alles ist“, hat die Besitzerin der Tanzschule Rueff schon früh gelernt. Als sie achtzehn war, verstarb ihr Vater völlig unerwartet, und sie musste neben der Matura in der Tanzschule ihrer Eltern mitarbeiten. „Mit 34 wurde mir dann, nach einer anfänglichen Gehirntumordiagnose, Multiple Sklerose attestiert. In diesen Momenten wird einem bewusst, dass die Gesundheit das Wichtigste ist, da hilft kein Geld der Welt“. Deshalb habe sie noch nie in ihrem Leben etwas Unmoralisches für Geld gemacht. „Ich muss aber auch gestehen, dass dies einfach war, weil es meiner Familie nie schlecht ging. Natürlich habe ich gerne einen gewissen Lebensstandard, aber dominieren lasse ich mich vom Geld sicher nicht“. Die Ursachen korrupten Handelns vermutet sie in der Erziehung und dem sozialen Umfeld der Betroffenen. „So wie man Menschen mit sozialer Verantwortung und Nächstenliebe großziehen kann, kann man natürlich auch ein schlechtes Beispiel sein. Kinder, die durch ihr Elternhaus kaum Chancen haben, entwickeln sich natürlich anders, als jene, die in einer ‚heilen Welt’ aufwachsen“. Und diejenigen, die sich für Geld zu „extremsten Dingen wie Töten hinreißen lassen, leiden wahrscheinlich an einer Krankheit“.
(Dagmar Buchta / elite 01/2014)