Durch Malen eigene Ressourcen erkennen
Die systemische Kunsttherapeutin Lisa Zehner hilft Menschen, ihr kreatives Potenzial zu entfalten und auf diese Weise Probleme zu lösen.
„In der Mal- und Gestaltungstherapie geht es um die inneren Bilder“, erklärt Lisa Zehner. Die Kunsttherapeutin, die seit fünf Jahren Menschen aus unterschiedlichsten Bereichen dabei begleitet, deren vielfältige Probleme zu lösen, hat ihre Berufung zum Beruf gemacht. Nach jahrelanger Tätigkeit in der Wirtschaft, mehreren Therapie-Ausbildungen und permanenter Selbsterfahrung, weiß die studierte Betriebswirtin, die auch als Coach arbeitet, worauf es ankommt. In einer auf Leistung und Erfolg ausgerichteten Gesellschaft, haben immer mehr Menschen das Gefühl, nicht mehr mithalten zu können. Dabei ist Leistung und „entsprechen müssen“ nicht auf die Arbeitswelt reduziert, sondern findet sich in jedem Bereich, in sozialen Beziehungen, jenen zu sich selbst, u.a…
Das kreative Potenzial nutzen
Auf die Frage, wie also Menschen mit ihren Problemen umgehen – oder noch besser sie lösen können, gibt es in der Mal- und Gestaltungstherapie den zentralen Begriff des Potenzials. Es gilt, verdeckte bzw. unbewusste Ressourcen zu orten und diese zu stärken. Durch verschiedene Methoden wie beispielsweise Erzählen, Visualisieren und Fantasiereisen im Entspannungszustand entstehen Bilder, die auf Papier oder in Plastilin bzw. Ton gebracht, Aussagen liefern. Und ganz gleich, wie das Produkt aussieht, „in jedem sieht man etwas Positives, die Ressourcen“, meint Lisa Zehner.
Innere Bilder geben Aufschluss
Basierend auf der Archetypen- und Symbollehre von C.G. Jung lassen sich mit Hilfe der gemalten oder gezeichneten Bilder bzw. der mit anderen Materialien gestalteten Objekte „unbewusste Komplexe oder verdrängte Konflikte sichtbar machen“. Und zwar relativ schnell. Denn im Vergleich zur Gesprächstherapie, in der die Ratio das Geschehen kontrolliert, kommen die KlientInnen im kunsttherapeutischen Gestaltungsprozess sofort mit ihren Gefühlen und ihrer Intuition in Kontakt. Anstelle des vertrauten vernunftmäßigen Analysierens komme man beim Malen „vom Denken ins Tun und ins Gefühl“, weiß Lisa Zehner. „Der Komplex, der im Bild auftaucht, wird bewusst und kann integriert werden, man kommt ziemlich schnell auf den Punkt“, sagt sie, „und erkennt das Problem“. Dieser Ansatz, der in Österreich noch relativ unbekannt ist, sei vorwiegend lösungsorientiert und nicht auf das Herumwühlen in Problemen konzentriert. „Natürlich darf man die Herausforderung, das Problem auch nicht aus den Augen verlieren“, betont sie. Ein weiterer maßgeblicher Unterschied zu anderen Therapieformen sei die Triade KlientIn, TherapeutIn und das Werk. Letzteres spreche für sich, in seiner eigenen Sprache.
Selbstvertrauen stärken
In der Weise wie die Bilder für sich sprechen, Aussagen über den Konflikt liefern und durch den Prozess der Veränderung das Ich stärken würden, könne die Therapeutin in der Beobachtung des kreativen Gestaltens erkennen, wie die Person mit sich und ihren Werken umgeht. „Ob sie ruhig oder aggressiv malt, schimpft, sich selbst verurteilt, das Bild in die Ecke schmeißt, seufzt, lacht usw., ob sie sich selbst mit Händen und Füßen darstellt oder kopflos, gibt Aufschluss darüber, wie sich die Klientin selbst wahrnimmt“, erklärt Lisa Zehner. Im Gespräch gehe es auch darum, diese Dinge bewusst zu machen und schrittweise zu verändern. „Wenn Menschen durch das Gestalten mit ihrer eigenen Kraft in Berührung kommen, trauen sie sich dann zumeist auch im wirklichen Leben mehr zu“.
„Ich wollte die Welt retten“
„Wo ist deine Wunde? Wenn man an der Sigmund-Freud-Uni studieren will, ist das die erste Frage, die an einen gerichtet wird“, erzählt Lisa Zehner. Denn nur wer selbst eine Wunde hat, könne anderen helfen, so die Maxime. „Bei mir war es der Unfall meines Vaters, als ich erst vier war“, erklärt sie. Ihr Leidensdruck habe sie zu verschiedenen Methoden der Selbsterfahrung geführt: zur Beschäftigung mit Transaktionsanalyse, Mentaltraining und Traumatherapie. Und ihr war bald klar, dass sie dieses Wissen weiter geben wollte.
Ihre soziale Ader hat Lisa Zehner also schon früh entdeckt. Doch es sollte noch ein langer Weg werden, bis sie ihrer Berufung, anderen bei der Bewältigung ihrer Probleme auf künstlerisch-spielerische Weise zu helfen, gerecht werden konnte. Wäre es nach ihrer Mutter gegangen, hätte sie Krankenschwester werden sollen. Doch sie selbst wollte „etwas Psychologisches“ machen: „Mit 20 wollte ich Betriebspsychologin werden. Ich dachte mir, die brauchen eh alle Hilfe. Ich wollte die Welt retten“, schmunzelt sie, und schloss zuallererst ein Studium der Betriebswirtschaft ab. Parallel habe sie aber „immer Selbsterfahrung gemacht, das war mir sehr wichtig“.
Wie sie zur Kunsttherapie gekommen ist
Nach einigen „knallharten Wirtschaftsjobs“ wie bei Electricité de France und OMV, „haben mir die Schlipstypen gereicht“, (lacht), und sie begann eine Ausbildung zum Coach. Im Rahmen einer AMS-Maßnahme begleitete sie vier Jahre hindurch als Trainierin und Coach Jobsuchende, doch dann war diese Aufgabe nicht mehr so interessant. Etwas Wesentliches fehlte noch. Die Antwort kam durch das eigene Malen. „Ich bin draufgekommen, dass ich das gerne verbinden würde, das Kreative und das Coaching“, erzählt sie. „Wenn es mir nicht so gut geht, dann male ich und schon geht es mir besser. Malen heißt glücklich sein“. Und das wollte – und will – sie auch anderen vermitteln.
Gedacht, getan. Um die Ausbildung zur Mal- und Gestaltungstherapie, zur Systemischen Kunsttherapeutin und Lebens- und Sozialberaterin zu finanzieren, nahm sie noch einmal einen Wirtschaftsjob, diesmal als Logistikerin bei Gauloises, an. Vier harte Jahre hindurch opferte sie Wochenenden und Urlaube ihrem Ziel. Der Aufwand hat sich gelohnt. Seit 2009 ist Lisa Zehner als Mal- und Gestaltungstherapeutin, teilweise in Zusammenarbeit mit dem Institut Frauensache, tätig. Und ist dort angekommen, wo sie hinwollte.
(Dagmar Buchta, 11.12.2013)
Weitere Infos unter www.bilder-schaffen.at.