Die Herrschaft der Schirme

Kann permanente Abschirmung zu Paranoia führen? – Einige humoristische Gedankensplitter.

Ich lebe in einer Welt der Schirme. Von früh bis spät bin ich abgeschirmt. Nicht, dass Sie jetzt glauben, ich gehöre zu jenen notorischen SchirmträgerInnen, die dieses Accessoire als Überlebensausrüstung ständig bei sich tragen. Immer auf Schlechtwetter gefasst, den Wetterfröschen misstrauend. So pessimistisch bin ich nicht. Im Gegenteil: Habe ich mal einen Regenschirm mit, lasse ich ihn garantiert im Schirmständer eines Kaffeehauses stehen.

Von Schirmen verfolgt

Die Wahrheit ist: Ich werde von Schirmen verfolgt. Und das, obwohl ich nicht an Paranoia leide. Die Schirmherrschaft der Schirmgesellschaft ist es, die mir zu schaffen macht. Auf der Straße bohren sich die Spitzen aufgespannter Schirme beinahe in mein Auge. In der U-Bahn erfolgt ein feuchtes und unangenehmes Getröpfel beschirmter Mitreisender in meinen Nacken. Im Schanigarten steht der einzige Arabia-Schirm mit Sicherheit beim Nachbartisch. Habe ich endlich einen solchen ergattert, klemme ich mir beim Versuch des Aufspannens jedes Mal den Finger ein. Will ich am Strand einen fußfreien Sonnenschirm im Sand befestigen, fällt er – sobald ich es mir mit einem Buch in seinem Schatten gemütlich gemacht habe – natürlich um.

Loserin?

Und überhaupt habe ich eine Beschwerde anzubringen. Ich gehöre nämlich, wie Sie sicher schon mitbekommen haben, zu den LoserInnen. Zu jenen, die diese unsäglichen Dinger immer verlieren oder nie abbekommen. Dennoch bin ich abgeschirmt. Das liegt vermutlich an jenen Schirmherren, die – so scheint es mir – die Herrschaft der Schirme zu verantworten haben und ihre Schirmherrschaft allumspannend ausweiten.

Worum es mir geht? Um die penetrante Präsenz der gemeinsten und hartnäckigsten Spezies der Schirmgattung. Denn neben den relativ harmlosen beschriebenen Arten dirigiert diese Gattung mein Leben: Der Bildschirm. Unabhängig von allen Wettersituationen brennt er mir die Augen aus. Mindestens acht Stunden pro Tag!

Lieber Schokoschirme

Habe ich einen Tag voller Schirme überstanden, lechze ich nach Schirmlosigkeit. Sie glauben doch nicht etwa, dass ich mich zum Bruder Fernsehschirm begebe, der sowieso nur Blödsinnigkeiten ausspuckt. Da sitze ich schon lieber unter meinem Lampenschirm und lutsche einen Schokoschirm. Und dann kann es schon vorkommen, dass ich von köstlichen Schirmpilzen oder japanischen Schirmtannen träume. Und – vom Fallschirmspringen!

Vielleicht fühlen auch Sie sich von der Schirmherrschaft verfolgt. Und das obwohl wir nicht unter Paranoia leiden. (dabu)