Die Geheimnisse der Methusalems
Sie sind agil und rüstig, strotzen vor Energie und Lebenslust und haben doch hundert Lenze und mehr auf dem Buckel. Was machen die ältesten Menschen der Welt anders?
Hundert werden und dabei pumperlgsund und lebenslustig? Das wär’ schon was, ist aber in unseren Gefilden kaum vorstellbar. Denn trotz bester medizinischer Versorgung kommt die durchschnittliche Lebenserwartung in Österreich (Frauen 83,4 und Männer 78,1 Jahre) nicht mal an die 90er-Marke heran. Und jene, die 90 und älter werden, siechen leider nur zu oft körperlich und geistig dahin. In Einsamkeit oder im Pflegeheim, was auch nicht viel besser ist. Es gibt jedoch Orte auf der Welt, in denen auffällig viele (über) 100-Jährige leben. Und was noch erstaunlicher ist: Für die meisten ist Krankheit ein Fremdwort, kilometerlange Fußwege und schwere körperliche Arbeit stehen auf der Tagesordnung und die Lust am Leben ist ihnen ins Gesicht geschrieben. Haben die fidelen Greise ein Geheimrezept?
„Inseln der Langlebigkeit“
Die ältesten Menschen der Welt leben in Japan, aber auch in Ecuador, auf Sardinien, Kuba, im Kaukasus und in Pakistan gibt es einen hohen Prozentsatz an Methusalems. Einige von ihnen sind sogar 120 und älter. Einen Zusammenhang zwischen Langlebigkeit und gesunder Lebensweise – vor allem Ernährung – wurde durch die Altersforschung schon lange bestätigt. Es scheint jedoch als gäbe es noch weitere Faktoren…
Was essen, um uralt zu werden?
In vielen Studien über die Lebensweise der 100-Jährigen zeigte sich: Sie alle ernähren sich überwiegend vegetarisch, bei einem minimalen Konsum von Fleisch und Zucker. So kommen auf Okinawa in Japan, „Insel der Hunderjährigen“ genannt, neben Fisch häufig Süßkartoffeln, Reis, Tofu, Goya-Gurken, Nori, Rettich und Spinat auf den Teller. Fleisch höchstens ein- bis zweimal in der Woche. An Stelle von Salz wird mit Chili, Ingwer und Kurkuma gewürzt und Fett nur sparsam eingesetzt. Die Lebensmittel sind reich an Omega-3-Fettsäuren, Vitaminen, Ballaststoffen, Spurenelementen und sekundären Pflanzenstoffen. So wird Entzündungen, hohen Cholesterinwerten und Krebs vorgebeugt.
Es könnte aber auch an der Sango-Koralle liegen, die rund um die Insel Okinawa wächst. Aufgrund ihres hohen Gehalts an Mineralien und Spurenelementen wirke sie laut Studien positiv auf den menschlichen Organismus. Vor allem das reichlich enthaltene Kalzium gilt als essentiell für Nervenkontraktionen, die Energieimpulse des Herzschlags, den Aufbau von Haut, Zähnen, Knochen und wirkt entzündungshemmend und antiallergisch. Dieser gesunde Mineralstoff-Cocktail löst sich im Meer aus den Korallen und wird über das Grundwasser von den Inselbewohnern aufgenommen. Zudem gibt es auf Okinawa eine goldene Regel, die zumindest die Alten ihr Leben lang strikt einhielten: „Iss nur soviel, bis dein Magen zu 80 Prozent gefüllt ist“.
Kleine Mengen – große Wirkung
Eine Empfehlung, die in Vilcabamba (Ecuador) ebenso beherzigt wird. Die Nahrung der Bewohner des 800-Seelen-Dorfes besteht zu 70 Prozent aus Gemüse, mit einem Minimum an pflanzlichen Fetten und Eiweiß und entspricht einer Menge von lediglich 1200 bis 1900 Kalorien täglich. „Sich überessen“ gilt auch bei den langlebigen Abkhasiern (Kaukasus) als verpönt, dicke Leute werden als krank angesehen. Wenig Fleisch, dafür Abista dreimal am Tag, ist ihr Rezept. Diese Getreidemahlzeit, in Wasser salzlos gekocht, wird mit Ziegenkäse gegessen. Außerdem stehen frische Früchte, besonders Trauben, viel Gemüse wie Zwiebeln, Tomaten, Gurken und Kohl auf dem Speiseplan. Auch pürierte Limabohnen mit einer Sauce aus Paprika, Knoblauch, Granatapfelsaft und Pfeffer wird oft serviert. Zucker fehlt gänzlich, nur Honig dient als Süßungsmittel. Wissenschafter meinen auch, dass der reichliche Genuss von Kefir eine bedeutende Rolle spielt. So oft getrunken wie bei uns Wasser wirke das kaukasische Nationalgetränk vitalisierend bis heilend.
Auch die Hunza in Pakistan ernähren sich primär pflanzlich mit Salaten, Spinat, Karotten, Rüben, Kartoffeln, Radieschen, Kürbissen und deren Kernen sowie vielen Hülsenfrüchten. Als tierischer Eiweißlieferant dient vor allem Frischkäse, Fleisch gibt es nur an Festtagen. Die hauptsächlich vegetarische Ernährung dürfte sich auch bei den Sarden in Nuoro als lebensverlängernd erweisen. Von 100.000 Einwohnern werden immerhin dreizehn Sarden über 100 Jahre alt. Der reichliche Gehalt von Omega-3-Fettsäuren in Gemüse, Kräutern und Olivenöl wirkt sich günstig auf den Fettstoffwechsel aus und beugt Herz-Kreislauferkrankungen sowie Krebs vor.
Jungbrunnen: Lebenssinn und Sinnesfreuden
Schön und gut. Dass viel Grünzeug essen gut für uns ist, wissen wir. Wird es uns doch regelmäßig gepredigt. Nur etwas Wichtiges vergessen die Gesundheitsapostel gerne: den Genuss – und der scheint ein weiterer Faktor für ein langes glückliches Leben zu sein. Denn obgleich die Langlebigen nach unseren Begriffen sehr wenig und entbehrlich essen, üben sie keinen Verzicht und frönen leidenschaftlich Gewohnheiten, die gemeinhin als Laster gelten.
So trinken die Bewohner der Provinz Villa Clara auf Kuba beispielsweise viel Kaffee und rauchen gerne Zigarren. Auch in Vilcabamba (Ecuador) und bei den Hunza im Norden Pakistans wird ordentlich gepafft: 40 bis 60 Zigaretten täglich. Die Vilcabambaner rauchen zudem Chamico, deren Wirkung jener von Marihuana ähnelt. Und auch beim Alkohol sind sie nicht zimperlich: zwei bis vier Becher Rum oder zwei bis drei Gläser Wein zählen zum Tagespensum der Greise, die auch Wodka und georgischen Brandy nicht verschmähen.
Alleine tun sie das aber nur selten, denn Geselligkeit und sozialer Zusammenhalt sind den Uralten in den abgeschiedenen Tälern und kleinen Inseln von jeher wichtig. In Japan ist es die Tradition der Moai, lebenslange Freundeskreise, die sich einmal wöchentlich treffen und gegenseitig helfen, und des Ikigai. Damit ist der Sinn des Lebens auf alltäglicher Ebene gemeint. Es geht darum, sich nützlich zu machen und als wichtiges Glied der Gemeinschaft zu fühlen. Das kann die Feldarbeit genauso sein wie das Betreuen der Enkel … oder eine neue Liebe. Auf das Lebenselixier Sex schwören nämlich alle (über) 100-Jährigen. Die Kaukasier meinen sogar, dass die „Jugendzeit“ erst mit Erlöschen ihrer Libido endet, was ein 117-Jähriger so ausdrückt: „Normalerweise geht das bis 80. Damals bin ich noch jung gewesen.“
Die 5 Top-Lebensmittel
GOYA-GURKE – auch „Bittergurke“ genannt, gehört zu den Kürbisgewächsen.
Nutzen: reguliert den Blutzuckerspiegel (besonders für Diabetiker des Typus II ideal), wirkt positiv auf den Fettstoffwechsel, regt Blutreinigung sowie Verdauung an und stärkt das Immunsystem. Reich an den Vitaminen A, B1, B2, C und den Mineralstoffen Eisen, Kalzium, Phosphor, Kupfer und Kalium kann ein täglicher Genuss der Goya den gesamten Organismus revitalisieren, entgiften und nähren.
Anwendung: Die einfachste Art, die Goya-Gurke regelmäßig zu sich zu nehmen: als Tee aus den getrockneten Pflanzen, der ca. 3 Minuten gekocht wird. Teebeutel oder losen Tee gibt’s in Asia-Supermärkten. In Apotheken wird Goya auch in Tablettenform angeboten, jedoch um einiges teurer.
NORI – Rotalge, deren Blätter zum Rollen von Maki und Sushi verwendet werden.
Nutzen: Reich an Omega-3-Fettsäuren, Mineral- und Ballaststoffen fördern sie die Magen- und Darmgesundheit. Nachgewiesen wurden auch blutdrucksenkende, blutreinigende sowie antivirale, antibakterielle und antikarzinogene Wirkungen. Bemerkenswert: die sehr niedrige Brustkrebsrate bei Japanerinnen – dem Land mit dem größten Algen-Konsum.
Verwendung: In Asia-Läden gibt’s Nori in Form getrockneter Blätter, als Streifen und Gewürz. Die Blätter mit Gemüse und/oder Fisch füllen und als Maki-Rollen genießen. Mit Norialgen in Streifen garnieren Sie Nudeln, Salate oder Fisch. Und mit gemahlenem Nori lassen sich Suppen, Salate und Reisgerichte schmackhaft bestreuen.
LIMABOHNE – hierzulande als Trockenkochbohne und in Konserven erhältlich.
Nutzen: Schon die Azteken schwätzten die Riesenbohne als Heilmittel. Ihrem hohen Gehalt an Eiweiß, Vitaminen, Ballaststoffen und besonders Eisen wird eine positive Wirkung auf Herz, Muskeln und Knochen nachgesagt.
Verwendung: Unaufdringlich im Geschmack passt die Limabohne in jeden Eintopf, asiatische Dals und Currys. Auch in Kartoffel- und Nudelsalaten, gewürzt mit Knoblauch, Zitronensaft oder Kräutern sowie als Beilage zu Fisch und Fleisch köstlich.
KEFIR – Sauermilchprodukt bei uns in allen Supermärkten erhältlich.
Nutzen: Allen Inhaltsstoffen voran sind es vor allem die Probiotika (lebende Bakterien), die den Kefir so gesund machen. Belegt sind folgende Wirkungen: Stärkt die Darmflora, reguliert den Blutdruck, regt das Immunsystem an, wirkt antiseptisch und positiv bei Krebserkrankungen – „Anti-Tumor-Wirkung“.
Verwendung: Pur, fruchtig oder pikant. Frische Früchte pürieren und mit Kefir mischen. Für die pikante Variante eignen sich Gurke, Tomate, Paprika kombiniert mit Kräutern wie Dille, Schnittlauch und Petersilie.
SÜSSKARTOFFEL – ist hierzulande auf gut sortierten Gemüsemärkten zu finden.
Nutzen: Im Vergleich zu normalen Kartoffeln ist sie besonders reich an Antioxidantien. Hemmt Entzündungen, reguliert den Blutzucker, mobilisiert die Abwehrkraft, schützt das Herz, stärkt die Muskulatur, killt Stress. Laut „Center of Science in the Public Interest“ ist die Süßkartoffel das nährstoffreichste Gemüse überhaupt.
Verwendung: In Stücke geschnitten als Rohkost-Fingerfood oder fein gerieben als Salat. Auch gebacken, gebraten, püriert, als Pommes etc… wie andere Kartoffel auch. Besonders gut schmeckt sie in Suppen, z.B. mit Kürbis.
(WIENERIN entspannt leben, Dezember 2012)